Rückblick: Unruhen in Kenya
Mit den Rückblicken möchten wir zeigen, wie der Stein ins Rollen kam. Es handelt sich um den „privaten Newsletter“ von Simon an Familie und Freunde, den er während seiner Zeit in Kenia in unregelmäßigen Abständen aus Kenia verschickte.
„Unruhen in Kenya“, 04.01.2008
Liebe Freunde!
Wie es immer ist, wenn in Afrika etwas Negatives passiert, seid ihr wahrscheinlich bestens über die Lage in Kenia informiert. Es ist gut möglich, dass ihr mehr wisst als ich, …
Ich wollte euch nur kurz informieren. Ich bin derzeit in Mombasa, da ich hier Silvester feiern wollte. Doch wegen den Unruhen ist nichts draus geworden. Wir feierten daheim in einer Wohnung, …
Wie ich schon in früheren Mails geschrieben habe, hatten wir heuer Präsidentschaftswahlen. (Die wichtigsten Wahlen im Land, da der Präsident alles kontrolliert und steuert.) Der Wahlkampf verlief größßtenteils friedlich. Obwohl man große Rivalitäten in den verschiedenen Regionen erkennen konnte. Jeder Stamm hatte seinen Favoriten. (Nicht so wie bei uns, wo das Individuum entscheidet). Das kommt zu Stande, da in der Vergangenheit der Präsident immer seinen Stamm (Region) bevorzugt hat. Daher ist die Infrastruktur, Schulwesen usw. im ganzen Land sehr unterschiedlich ausgebaut.
Am 27.12.07 hatten wir dann die Wahlen. Jeder war stolz, dass alles friedlich verlief und es in den Wahlzentren trotz langer Warteschlangen und großen Menschenansammlungen keine Ausschreitungen gab. Am 28.12 fuhr ich nach Nairobi. Die Strassen waren leer und als ich Nairobi erreichte, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Die Stadt war menschenleer, da jeder daheim vor dem Radio oder Fernseher saß um endlich das Wahlergebnis zu erfahren. Doch das Wahlkommitee verlas immer nur Teilergebnisse von Provinzen. Stets war Raila Odinga (ODM) um ein paar 100.000 Stimmen vorne. Am 29.12 wollten Debbi und ich nach Mombasa fahren. Da aber Unruhen im Zentrum gemeldet worden sind, blieben wir daheim. (Die Unruhen begannen, da die Leute nervös waren, das Wahlkommitee so lange stumm blieb und erste Gerüchte über verlorene Stimmzettel usw. aufkamen. Wir konnten den Bus umbuchen, und am 30.12. ganz in der Früh nach Mombasa fahren.
Die Reise verlief gut, die Landschaft ist sehr schön. Etwa um 17.00 wurde dann das Endergebnis bekannt gegeben. Der frühere Präsident Mwai Kibaki hat wieder gewonnen,…
Jeder war verblüfft. Wie kann jemand, der 3 Tage an 2. Stelle war innerhalb fünf Minuten 700.000 Stimmen erhalten und somit um 200.000 Stimmen den Führenden überholen?! Weiters hat die Partei von Raila Odinga 6 Provinzen gewonnen, wobei Kibaki nur 2 gekriegt hat,…?!
Und das alles trotz europäischem Beaufsichtigungskomitee (beschämend – sind auch wir so leicht bestechbar?)
Am Abend erreichten wir Mombasa. Alles war ruhig, nur in einem Vorort sahen wir ein paar brennende Autoreifen. Wir übernachteten in einem Gästehaus, da wir die anderen nicht erreichten und die Nacht hereinbrach. Am 31.12. trafen wir dann die anderen. Leider konnten wir nicht an den Strand, da wir hörten es sei zu gefährlich. Wir gingen zum einzigen offenen Supermarkt. Bevor wir hineingehen konnten, mussten wir 2h lang in einer Warteschlange anstehen. Wir deckten uns mit Lebensmittel ein und fuhren heim. Leider haben wir keinen Radio oder Fernseher daheim, so blieben wir lange im Dunkeln. Liesbeth (Volunteer in Mombasa) hatte aber steht’s Kontakt mit Leuten aus Mombasa und so wussten wir welche Teile sicher sind und welche wir meiden mussten. Seit ich hier bin, bin ich die meiste Zeit im Haus. Wir gehen nur raus, wenn wir etwas dringend brauchen.
Der Ausnahmezustand ist auch an der Lebensmittelknappheit, fehlen von Scratchcards (Guthaben für’s Handy) und an horrenden Preisen für alles zu sehen.
In meiner Heimat (Migori) ist es ganz schlimm. Da im Westen Kenias alle für Raila Odinga gewählt haben, ist die Entäuschung dort am Größten. Das Schlimme ist, dass es nur wenige sind, die sich nicht im Griff haben und das ganze Land in Chaos versetzen. Meine Gasteltern haben mir geschrieben, dass sie nicht einmal nach Kakrao gehen können. Das heißt sie sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten, können ihr Mobiltelefon nicht aufladen, und nichts kaufen. Gott sei Dank haben sie eine kleine Landwirtschaft, und so gibt es zumindest Ugali und Sukumawiki.
Da ich auf der anderen Seite von Kenia bin, wird es für mich wohl lange noch nicht möglich sein, wieder heimzufahren.
Wer hatte das gedacht, dass ein solch stabiles Vorzeigeland in Afrika so schnell in eine Krise fallen kann. Wir hoffen alle, dass die zwei Streithähne sich schnell einig werden und somit auch wieder Ruhe im ganzen Land einkehrt. Ganz liebe Grüß an euch alle.Simon